Die angemessenen „Kosten der Unterkunft und Heizung“ im Hartz IV-System: Wenn ein unbestimmter Rechtsbegriff mit elementaren Folgen von der einen Seite bestimmt werden soll
Obwohl dieser Artikel eigentlich das SGBII betrifft ist es auch für Behinderte Menschen im SGBXII von Bedeutung, da in beiden Gesetzbüchern die Kosten der Unterkunft durch die Kommunen bezahlt und berechnet werden.
Das sich verständlicher an, als es ist – denn hier wird mit „angemessen“ ein „unbestimmter Rechtsbegriff“ verwendet, der in der Praxis dann konkretisiert und rechtlich überprüfbar bestimmt werden muss. In Form von konkreten Wohnungsgrößen und Mietkostenhöhen, die „noch“ oder eben „nicht mehr“ als angemessen definiert werden.
Und wenn eine bestimmte Miete nicht mehr als angemessen eingeordnet wird, dann hat das handfeste und höchst problematische Auswirkungen:
»Das führt dazu, dass zahlreiche Grundsicherungsempfänger gezwungen sind, die nicht vom Jobcenter akzeptierten Mietanteile aus den Regelleistungen selbst zu tragen – schaut man sich die Differenz zwischen den bewilligten und den tatsächlichen Kosten der Unterkunft für Deutschland insgesamt an, dann kann man berechnen, dass die Hartz IV-Empfänger in diesem Jahr auf 594 Mio. Euro Wohnkosten sitzenbleiben. Bei vielen bedeutet das, dass sie aus ihrem Regelbedarf von (noch) 409 Euro pro Monat, der ja dafür nicht vorgesehen und schon für die laufenden Lebenshaltungskosten mehr als knapp kalkuliert ist, den Differenzbetrag decken müssen«, wurde hier bereits am 22. September 2017 in dem Beitrag Hartz IV-Empfänger bekommen 1,63% mehr Geld. Von der Angemessenheit, ungedeckten Stromkosten und Mieten mit Selbstbeteiligungausgeführt. Das ist eine gewaltige Summe. Viele Menschen, die von Hartz IV leben, leiden unter den immer stärker steigenden Mietpreisen, die der Immobilienboom ausgelöst hat. Die Obergrenze, bis zu der die Wohnungskosten vom Sozialstaat übernommen werden und die jede Kommune selbst festlegt, reicht immer häufiger nicht aus. So lagen laut der Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen Jahren rund ein Fünftel der Bedarfsgemeinschaften über der Grenze – im April 2017 zum Beispiel rund 590.000 der ungefähr 3,1 Millionen Haushalte.
Man kann sich vorstellen, dass vor diesem Hintergrund die Frage der Angemessenheit eine höchst umstrittene ist und auch nicht selten vor die Sozialgerichte getragen wird. Denn die sind (noch?) gebunden an den erst 2011 eingeführten § 55a SGG (Sozialgerichtsgesetz). Dort heißt es im Absatz 1: »Auf Antrag ist über die Gültigkeit von Satzungen oder anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind, zu entscheiden.« Um das zu verstehen, muss man einen Blick werfen in den § 22a SGB II. Dort findet man diesen Passus: »Die Länder können die Kreise und kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind.« Anders formuliert: In den Landkreisen und kreisfreien Städten wird jeweils auf dem Satzungsweg bestimmt, was vor Ort als angemessene Kosten der Unterkunft akzeptiert wird (und was nicht mehr).
Dabei macht es schon der § 22a SGB II den Anwendern vor Ort nicht leicht, denn der Absatz 3 gibt ihnen folgende Anweisung mit auf den steinigen Weg:
Die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung soll die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden. Sie soll die Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigen hinsichtlich:
1. der Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen,
2. der Verfügbarkeit von Wohnraum des einfachen Standards,
3. aller verschiedenen Anbietergruppen und
4. der Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen.
Nun liest sich das alles einfacher, als es in der Praxis ist, denn „die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt“ abzubilden setzt beispielsweise voraus, dass man über diese Verhältnisse umfassend informiert ist. Aber schon bei der (Nicht-)Datenlage fangen die praktischen Probleme an.
Und dann muss man vor Ort auch noch die höchstrichterliche Rechtsprechung vom Bundessozialgericht (BSG) zur Kenntnis nehmen und beachten. Das BSG fordert bei der Bestimmung der Angemessenheit die Anwendung eines „schlüssigen Konzepts“ und versteht darunter ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung der Tatbestände vor Ort und gerade nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.
Und was heißt nun „schlüssiges Konzept“?
Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
- Validität der Datenerhebung,
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Wenn man sich die Punkte anschaut, dann wird jedem, der sich hier ein wenig auskennt, sofort einsichtig, dass das eine Menge Einfallstore für Kritik und Infragestellung der Ergebnisse eröffnet, wenn man da nicht sauber vorgeht – und zuweilen sind die Akteure vor Ort auch überfordert, ein derart mehrdimensionales Konzept zu erarbeiten. Und wenn man das nicht hat, hat man die Konsequenzen zu tragen, denn dann muss man sich an der Wohngeldtabelle orientieren. Die darin verankerten Höchstmieten sind jedoch häufig höher als die, die von den Städten und Landkreisen den SGB II-Leistungsbeziehern zugestanden werden sollen. Für die Durchführung der Analysen beauftragen Kommunen oft externe Firmen.
Darüber wurde in diesem Blog am 20. Dezember 2015 in diesem Beitrag berichtet: Und wieder einmal grüßt täglich das Murmeltier: Hartz IV und die Wohnungsfrage. Damals wurde die Problematik mit diesen Beauftragungen am Beispiel von Wernigerode in Sachsen-Anhalt illustriert: Im Harzkreis und in anderen Kommunen wurde das „schlüssige Konzept“ vom Hamburger Unternehmen Analyse und Konzepte (A+K)erstellt. Doch das Unternehmen ist in der Vergangenheit bereits mit vielen seiner Konzepte vor den Sozialgerichten gescheitert – falsch ermittelt seien die Werte und daher viel zu niedrig angesetzt. Dem Beispiel aus Sachsen-Anhalt konnte man entnehmen, wie man die Mieten nach unten rechnen kann, wenn man denn will bzw. der Auftraggeber das möchte. Aals zentraler Hebel gilt dabei die Art und Weise, wie der Bedarf an Wohnungen ermittelt wird. Dabei wird untersucht, ob für einen festgesetzten Mietpreis tatsächlich ausreichend Wohnungen vorhanden sind. Das Unternehmen hatte die Mieten sämtlicher Wohnungen gesammelt. Der überwiegende Teil der Wohnungen ist vermietet, teilweise seit vielen Jahren. In alten Mietverträgen fänden sich noch sehr niedrige Quadratmeterpreise. Die Angebotsmiete aber liegen deutlich höher. Im Ergebnis kam man zu einer Durchschnittsmiete, die deutlich unter den aktuellen Angebotsmieten liegen.
Aber bereits damals wurde darauf hingewiesen, dass sich ein solches vor dem Sozialgericht sicher mit großer Erfolgswahrscheinlichkeit angreifbares Vorgehen dennoch für die Kommunen „rechnen“ kann. Denn zum einen müssen Betroffene überhaupt erst einmal klagen. Dann kommt die lange Verfahrensdauer hinzu. Und wird ein Konzept dann für rechtswidrig und nicht anwendbar erklärt, werde einfach das nächste erstellt.
Aber nun gibt es (erneut) Bestrebungen, die Landschaft zu bereinigen. Harald Thomé hat in seinem Newsletter 05/2018 vom 04.02.2018 berichtet:
»Im Rahmen einer im Geheimen tagenden Bund-Länder-Kommunal-Arbeitsgruppe werden derzeit Änderungen bei den Unterkunftskosten abgestimmt und geplant. Nach eigenem Bekunden wirkt daran „intensiv“ der Deutsche Landkreistag und viele mehr mit. Das geht es aus einem Schreiben des Landkreistag Sachsen-Anhalt vom 18.01.2018 hervor … Das Präsidiums des Deutschen Landkreistages hat dazu jetzt vom 9./10.1.2018 ein „Überlegungspapier“ formuliert, aus welchem die Grundzüge der Forderungen der Kommunen ersichtlich sind.«
Susan Bonath hat das in ihrem Artikel Im Kalten sitzen mit Hartz IV aufgegriffen: »Demnach erarbeitet die Gruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) bereits seit September »Eckpunkte für eine gesetzliche Neuregelung des Rechts der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch«. Der darin enthaltene Begriff »angemessen« sei zu unbestimmt und »streitanfällig«, uneinheitliche Urteile der Sozialgerichte verunsicherten die Ämter zusätzlich, heißt es darin.«
Und sie legt den Finger auf die offensichtliche Wunde: Zum einen verlangt die kommunale Seite einen“klaren Rechtsrahmen“, der die Berechnungsmethode vorgibt und damit die Klageanfälligkeit des Themas reduziert bzw. verunmöglicht. Zum anderen sollen aber „kommunale Gestaltungsspielräume“ gewahrt bleiben. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, so könnte man dieses Bestreben zusammenfassend beschreiben. Ganz offensichtlich will man mögliche Klagen der Betroffenen ausschalten, zugleich aber mit maximalen Freiheitsgraden die Bestimmung der Mietobergrenzen fortsetzen können.
Schauen wir uns die Überlegungen der kommunalen Seite einmal genauer an, man findet die in diesem Papier des Deutschen Landkreistages vom 09./10.01.2018: Überlegungen für eine gesetzliche Neuregelung zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die Stoßrichtung der gegenwärtigen Bestrebungen wird klar benannt: »Die Vorgaben des BSG sind in der Praxis sehr aufwendig umsetzbar, erweisen sich als streitanfällig und führen infolge einer sehr uneinheitlichen Rechtsprechung insbesondere der Landessozialgerichte zu Rechtsunsicherheit. Diese Situation muss im Interesse der SGB II-Träger wie auch der Leistungsempfänger im Wege einer gesetzlichen Neuregelung verbessert werden.«
Das hat alles eine Vorgeschichte. So wurde die Problematik der Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger bereits im Vorfeld des sogenannten „Rechtsvereinfachungsgesetzes“ (vgl. zu diesem in vielen Punkten tatsächlich eher als „Rechtsverschärfungsgesetz“ zu bezeichnenden Gesetzgebungswerk die Beiträge Entbürokratisierung des SGB II und mehr Luft für die Jobcenter? Von Luftbuchungen, Mogelpackungen und einem trojanischen Pferd vom 14. Februar 2016 sowie Jobcenter allein zu Haus und nachhaltig überfordert (nicht nur) mit den Folgen eines gescheiterten Rechtsvereinfachungs- und Bürokratieabbauversprechens vom 29. August 2016). Im Vorfeld der Gesetzgebung gab es eine Bund- Länder-Kommunal-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des passiven Leistungsrechts einschließlich des Verfahrensrechts im SGB II (AG Rechtsvereinfachung), wo das Thema Unterkunftskosten „intensiv erörtert“ worden ist. Man hatte sich in dieser AG im Jahr 2014 mehrheitlich auf die Beauftragung eines Gutachtens geeinigt, das die Grundlagen für die Bemessung der Unterkunftsleistungen wissenschaftlich erforschen und geeignete Methoden einer Umsetzung untersuchen sollte.
Das BMAS hat das umgesetzt und das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt mit der Erstellung der Studie beauftragt, die dann im Januar 2017 als Forschungsbericht des BMAS veröffentlicht worden ist: Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Das Ministerium schreibt dazu: »… das Gutachten enthält neben einer Darstellung der aktuellen Rechtslage und Praxis sowie der bestehenden Probleme insbesondere detaillierte Vorschläge für verschiedene Verfahren zur Bemessung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung. Außerdem werden in dem Gutachten drei verschiedene Wege diskutiert, wie eine rechtliche Festlegung eines oder mehrerer der vorgeschlagenen Verfahren erfolgen kann. Als Möglichkeiten werden die bundeseinheitliche Festlegung von Angemessenheitsgrenzen einerseits und der vollständigen Verbleib dieser Aufgabe bei den Kommunen andrerseits sowie gesetzgeberische Handlungsoptionen zwischen diesen beiden Extremen aufgezeigt.«
Auf Basis der Ergebnisse dieses Gutachtens tagt seit September 2017 eine ASMK-Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Deutschen Landkreistages mit dem Ziel der Erarbeitung von Eckpunkten für eine gesetzliche Regelung. In welche Richtung gehen nun die Überlegungen der durch den Landkreistag vertretenen kommunalen Seite? Die hat deutliche Erwartungen an eine Neuregelung:
»Dies beinhaltet vor allem Konkretisierungen zum anzuwendenden Berechnungsverfahren sowie zur Methodik der Datenanalyse. Insgesamt sollte darauf hingewirkt werden, dass der Bundesgesetzgeber die durchzuführende Existenzsicherung stärker positiv beschreibt. Dazu kann es womöglich sinnvoll sein, den äußerst streitanfälligen Begriff der Angemessenheit durch eine andere Beschreibung der Existenzsicherung im Bereich des Wohnens zu ersetzen. Auf unbestimmte Rechtsbegriffe ist weitestgehend zu verzichten.«
Da würde man sich schon eine weniger verklausulierte Formulierung wünschen. Sind damit Pauschalierenden gemeint? Wie dem auch sei, der Landkreistag erwartet folgende Verbesserungen aus der kommunalen Sicht:
- Verwaltungsvereinfachung: Eine Regelung, die so handhabbar ist, dass man keine externen Dienstleister beauftragen muss.
- Schaffung von Rechtssicherheit sollte im Fokus stehen. Darüber hinaus sollte das Recht der Existenzsicherung im Bereich des Wohnens in § 22 SGB II und § 35 SGB XII angeglichen werden (beispielsweise die Möglichkeit einer Gesamtangemessenheitsgrenze im SGB II, die im SGB XII nicht möglich ist). Für die SGB XII-Fälle müssen die Sozialämter noch die Posten getrennt berechnen.
- Kommunale Gestaltungsspielräume (Freiheitsgrade) sollten auch im neuen KdU-Recht gewahrt bleiben
Der Landkreistag wünscht sich einen Ansatz, wonach der Gesetzgeber ein Verfahren zur Ermittlung der Mietobergrenzen festlegt und damit eine Methodik sowie die notwendigen Datenquellen definiert und vorschreibt. Im Rahmen dieses Verfahrens sollten die kommunalen Träger die notwendigen Daten erheben und die Grenzen berechnen. Hierbei ist auf unbestimmte Rechtsbegriffe zu verzichten. Auf dieser Basis ist mehr Rechtssicherheit erreichbar. Aber natürlich will man sich auch gerne eine Hintertür offenhalten: »Der Gesetzgeber sollte unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen von der Methodik zulassen und für diesen Fall einer Methodenabweichung die Art und Weise der Errechnung von Mietobergrenzen in den Verantwortungsbereich des kommunalen Trägers stellen.«
Und welche Daten sollen verwendet werden? Jetzt kommt eine ganz heikle Forderung: »Es sollte geregelt werden, dass zu einem Großteil auf Bestandsdaten aus dem SGB II und dem SGB XII zurückgegriffen werden kann, die in den Jobcentern und Sozialämtern in guter Qualität und Aktualität vorliegen.« Schon mal prophylaktisch gegen die erwartete Kritik schiebt der Landkreistag hinterher: »Dabei kann der Gefahr von Zirkelschlüssen auch dadurch zumindest entgegengewirkt werden, dass die tatsächlichen – und nicht die anerkannten – Wohnkosten betrachtet werden.«
Eine weitere bisherige Klagequelle will man so verstopfen: »Bei der Kombination von Bestands- und Angebotsmieten sollte gesetzlich abgesichert werden, zu welchem prozentualen Anteil diese Datenkomponenten Eingang in die Gesamtberechnung finden. Möglich wäre es auch, dieses Verhältnis in einem festzulegenden Korridor bzw. bis zu einer prozentualen Grenze dem kommunalen Träger zu überlassen.«
Man kann an diesen wenigen Punkten erkennen, dass es hier wirklich um ganz substanzielle Fragen bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen geht und – verständlicherweise – hat der Landkreistag das Bestreben, die Kommunen aus der sozialgerichtlichen Schusslinie zu nehmen und gleichzeitig möglichst viele „Freiheitsgrade“ zur „Gestaltung“ der Mietobergrenzen in der Hand zu behalten. Das würde aus Sicht der Betroffenen die sowieso schon vorhandene Asymmetrie weiter verstärken.
Und wenn wir schon beim Thema Unterkunftskosten und der Sicht der Betroffenen sind, soll an dieser Stelle noch eine andere damit zusammenhängende Problematik aufgerufen werden – die Kaution bei Anmietung einer Wohnung, die von den Vermietern verlangt wird. Fabian Lambeck beschreibt das Problem in seinem Artikel Schulden beim Jobcenter:
»Wer in eine neue Wohnung zieht, muss bei seinem neuen Vermieter üblicherweise eine Kaution hinterlegen, die Schäden an der Wohnung oder Mietrückstände abdecken soll. Bereits für Normalverdiener ohne Rücklagen ist es ein finanzieller Kraftakt, eine solche Kaution aufzubringen, kann diese doch bis zu drei Monatsmieten betragen. Gänzlich unmöglich ist das aber vielen Hartz IV-Beziehern. Bislang übernehmen die Jobcenter die Kaution oder die zu hinterlegenden Genossenschaftsanteile – allerdings lediglich als Darlehen. Das heißt, die Betroffenen müssen die Kaution über ihren Regelsatz beim Amt abstottern, indem der ohne schmale Betrag um monatlich zehn Prozent gekürzt wird.«
Das kann man angesichts der im SGB II verankerten Trennung zwischen Lebenshaltungs- und Unterkunftsbedarfen als eigentlich rechtswidrig bezeichnen. Die jetzige Regelung zwingt die Betroffenen, die Mietkaution, die eigentlich in den Bereich Unterkunftsbedarfe fällt, von ihrem Regelsatz zu bestreiten, was faktisch einer Kürzung des Existenzminimums entspricht.
Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden in diesem Zusammenhang beauftragt, sich der Thematik anzunehmen. Ein lehrreiches Stück zu den Tiefen und Untiefen der Rechtsprechung: Zum einen wurde ein Sachstandsbericht Rückzahlung von Mietkautionsdarlehen im Rahmen des SGB II (21. November 2017) veröffentlicht und nun mit Datum vom 5. Februar 2018 diese Ausarbeitung: Argumentationsansätze aus Rechtsprechung und Fachliteratur zur Frage der Rückforderung von Mietkautionsdarlehen im Rahmen des SGB II. Interessant ist das Fazit:
»Aus den Ausführungen wird ersichtlich, dass in Rechtsprechung und Fachschrifttum eine rege Diskussion darüber entbrannt ist, ob die mit Wirkung vom 1. April 2011 eingeführten Tilgungsregel des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II auf Mietkautionsdarlehen im Sinne des § 22 Abs. 6 SGB II anwendbar ist. Von den Landessozialgerichten werden die in der Literatur vorgetragenen Argumente der Gegner und Befürworter stets sorgsam gegeneinander abgewogen, aber bisher uneinheitlich bewertet.
Es bleibt abzuwarten, wie der mit der Fragestellung nun befasste 14. Senat des Bundessozialgerichtes entscheidet. Im Hinblick auf die beschriebene kontroverse Diskussion soll der zu erwartenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hier nicht vorgegriffen werden.« (S. 12)
Kassel soll es also richten. In die gleiche abschiebende Richtung geht auch die Position der Bundesregierung. Dazu Lambeck in seinem Artikel: »Das Bundesarbeitsministerium als zuständiges Ressort verwies … ebenfalls auf das Bundessozialgericht. Dort seien „drei Revisionen gegen Entscheidungen des Landessozialgerichts NordrheinWestfalen anhängig, in denen es um die Frage geht, ob eine Aufrechnung einer darlehensweise übernommenen Mietkaution mit laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zulässig ist“. Angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung „wartet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Klärung dieser Rechtsfrage durch das Bundessozialgericht ab“, so die Sprecherin weiter. Das Ministerium überlässt die Arbeit also den Gerichten.«
So kann (sollte) man es (nicht) machen bei einer derart existenziellen Frage.