„Inklusion vor dem Scheitern“ , „SVZ“ v. 20. 07. 2017, S. 15
Ihrem Beitrag und den Forderungen des Städte- u. Gemeindetages M-V gilt meine volle Zustimmung.
Mitten aus dem praktischen Leben „gegriffen“ einige Ergänzungen aus der Sicht der Dinge des Beirates für Menschen mit Behinderung des LK NWM:
Der eingeschlagene Weg zur inklusiven Gesellschaft ist konsequent fortzusetzen
Die Sinnerfülltheit von Theorien erweisen sich in der Praxis. Seit vielen Jahren führen wir unsere jährlichen Aktionstage zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung vornehmlich in Schulen durch. Von Jahr zu Jahr die gleiche Erkenntnis, wie alleingelassen sich die Lehrerinnen, Lehrer u. Sozialpädagogen mit der geforderten Schaffung inklusiver Schulen fühlen. Sie kennen keine zielsetzenden Vorgaben, es gibt keine konkreten Fort- u. Weiterbildungen. Da sehe ich die Schuld nicht bei den Pädagogen. Das schafft aber Ideologien in der Lehrerschaft: „Inklusive Schule gar nicht umsetzbar„, „Sowieso alles Quatsch“. Muss es erst soweit kommen? Warum wird nicht vermittelt, wie es in anderen Ländern Europas gut funktioniert?
Eine zu schaffende inklusive Gesellschaft bezieht sich aber auf alle Lebensbereiche, beginnend von der Geburt bis zum Lebensende eines Menschen über die Stationen Kita., Schule, Berufsschule, Hochschule, Berufsleben, Leben als Rentner in der eigenen Häuslichkeit oder in einem Senioren-Wohnheim.
Der wesentlichste Bestandteil der Inklusion sind zu schaffende Barrierefreiheiten in der Öffentlichkeit, aber auch in den Köpfen der Menschen. Wie sieht es hier mit den bisher von der Landesregierung geschaffenen Voraussetzungen aus? Dürftig! Was die Beantwortung nachstehender Fragen deutlich macht:
- Der Maßnahmeplan der Landesregierung M-V zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit dem brillanten Titel „Mecklenburg-Vorpommern auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft“ ist auf den ersten Metern stecken geblieben. Was wurde erreicht? Was bedarf einer dringenden Überarbeitung und Aktualisierung?
- Erfüllt der Integrationsförderrat (warum nicht längst Inklusionsförderrat?) bei der Landesregierung M-V die ihm gestellten Aufgaben, die Prozesse der inklusion nicht nur kritisch zu begleiten, sondern konstruktiv zu beraten, um Teilhabe, Chancengleichheit u. Barrierefreiheit für alle Menschen in unserem Land zu schaffen? Ist es nicht Aufgabe des IFR, die Beiräte bzw. Beauftragten für Menschen mit Behinderungen der Kreise fachlich anzuleiten (notgedrungen u. in dankenswerter Weise übernimmt diesen Part das Büro des Bürgerbeauftragten M-V)?
- Können mit der Landesbauordnung M-V (LBauO M-V v. 21. 12. 2015) wirklich die Forderungen zur Herstellung der Barrierefreiheit an öffentlichen Bauten, Wegen u. Plätzen, im ÖPNV vollständig (wie mit der UN-BRK gefordert; seit 2009 geltendes Recht in der BRD) umgesetz werden?
- Kann im Wohnungsbau nicht gleich jede neu zu schaffende Wohnung barrierefrei hergestellt werden? (Es sind lediglich 0,5 -1,0 % Mehrkosten im Vergleich zu den Gesamtbaukosten.)
- Warum wird von den Bauordnungs- und Verkehrsämtern der kreisfreien Städte u. Landkreise bei der Erteilung der Baugenehmigungen die Barrierefreiheit nicht gleichrangig mit der Konstruktion, Statik, dem Brand- Wärme und Schallschutz gepürft?
- Wo bleibt die von der Landesregierung seit Jahren geforderte Initiative zur Einrichtung einer Vertiefungsrichtung „Barrierefreies Bauen“ an der Hochschule Wismar für die Ausbildung der Architekten und Bauingenieure?
- Warum gibt es keinen Beschluß des LT M-V, den aktuellen „Leitfaden Barrierefreies Bauen“ des Bundesministeriums f. Umwelt, Naturschutz, Bau u. Reaktorsicherheit als rechtsverbindlich für alle Bereiche des Bauwesens unseres Landes zu erklären?
- Warum werden keine sogen. „Landtage für Menschen mit Behinderungen“ mehr durchgeführt, wo die in den Städten u. LK erreichten Ergebnisse auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft in M-V bilanziert und weitere Arbeitsschritte beschlossen werden können?