(Über-)Leben im Rollstuhl mit 171 Euro monatlich

Tja, aus dem Leben eines Rollifahrers. Diesen Text habe ich bei der Ostsee-Zeitung gefunden, der recht anschaulich beschreibt, mit welchen Problemen Menschen mit Handicap leben müssen. Da ist Inklusion noch weit entfernt.

(Kalle)

Der Wismarer Dirk Pasewalk würde gern arbeiten, aber er bekommt nur Absagen.

Bild: Nicole Hollatz
Der Wismarer Rentner Dirk Pasewalk kommt kaum über die Runden.

Wismar . Dirk Pasewalks Lächeln kann man kaum widerstehen . Der 53-Jährige serviert charmant Kaffee . Und erzählt . Von einem Unfall 1983 . Da war er 19 Jahre alt und ist aus dem Fenster gefallen . Seitdem sitzt er im Rollstuhl . Ist querschnittsgelähmt und Invalidenrentner . „ Ich suche Arbeit “, erzählt er , zuckt mit den Schultern und lächelt . 1989 hat er eine Umschulung gemacht zur Bürokraft . Er weiß noch , als die Umschulung beendet war , wollte der neue Arbeitgeber Geld haben für einen rollstuhlgerechten Arbeitsplatz . „ Die Rentenstelle hatte damals abgelehnt – mit der Begründung , ich bekomme ja Rente , ich brauch nicht mehr arbeiten gehen . Das weiß ich noch wie heute .“ Dabei will Dirk Pasewalk arbeiten , wegen des Selbstwertgefühls , der sozialen Kontakte . Und auch , weil das Geld sonst nicht wirklich zum Leben reicht .

Dirk Pasewalk hat in Berlin gelebt und gearbeitet . Hatte dort Freunde und seine geliebten „ Eisbären “. Fanartikel der Eishockeymannschaft sind zuhauf in seiner Wismarer Wohnung zu finden . Im Dezember 2015 ist er in die Hansestadt gezogen , weil er sich das Leben in Berlin nicht mehr leisten konnte . Eine schwere Entscheidung . „ In Berlin habe ich bis vor drei Jahren als Minijobber im Büro gearbeitet , dann hatte ich einen Unfall , hatte beide Beine gebrochen und war über ein Jahr im Krankenhaus .“ Der damalige Arbeitgeber hat ihn gefeuert . MECKLENBURG-VORPOMMERN „ Dirk Pasewalk in seiner Wismarer Wohnung . Der Frührentner muss mit wenig Geld knallhart kalkulieren . Das ist ein Teufelskreis . Ohne Auto keine Arbeit , ohne Arbeit kein Auto . Dirk Pasewalk , Frührentner „ Bis letztes Jahr konnte ich auch noch mein Auto halten , das musste ich inzwischen verkaufen . Das ist ein Teufelskreis . Ohne Auto keine Arbeit , ohne Arbeit kein Auto .“ Jetzt braucht er für jede größere Strecke den Fahrdienst . Den er bezahlen muss , vom Geld , was er nicht hat . Die Rechnung ist erschreckend einfach . 851,88 Euro Rente . Davon geht die Miete für die rollstuhlgerechte Wohnung ab : 586 Euro . Minus 65 Euro im Monat für betreutes Wohnen , Strom ( 45 Euro ), Kabelanschluss ( 37 Euro ), Telefonanschluss ( 14 Euro ), GEZ ( 17,50 Euro ), Zuzahlung zur „ Hilfe im Alltag “ ( 40 Euro ). Zur Rente kommen 124 Euro Wohngeld . Macht knapp 171 Euro zum Leben im Monat . Die Eltern bringen mal die schweren Kisten mit Wasser vorbei und füllen dann auch den Kühlschrank . Dirk selbst kauft mal für 15 , mal für 20 Euro ein . Höchstens 25 Euro . „ Aber da lebe ich auch ne Woche lang von !“ Neue Klamotten ? „ Woher denn ? Die Hose hat mir ein Freund für acht Euro aus Polen mitgebracht . Es gibt natürlich extra Hosen für Rollstuhlfahrer , die am Rücken höher geschnitten sind , aber die kosten über 100 Euro . Das ist unrealistisch !“ Die Eisbären und die Freunde in Berlin vermisst er , die Stimmung im Stadion , das Kino oder das Theater . Auch deswegen ist ihm die Arbeit wichtig . „ Damit ich was zu tun habe , raus komme unter Menschen .“ Und damit am Monatsende noch etwas übrig ist für „ Teilhabe am gesellschaftlichen Leben “. Er will arbeiten : ein Minijob als Bürokraft , 12 Stunden die Woche , maximal 450 Euro . „ Ich kriege täglich Mails von der Agentur , aber wenn ich nach einer Bewerbung überhaupt eine Antwort bekomme , dann die , dass der Arbeitsplatz nicht rollstuhlgerecht ist !“ Dirk Pasewalk lächelt . Zum Glück . „ Andere hätten ihrem Leben vielleicht schon ein Ende gesetzt , aber der Typ bin ich nicht ! Ich muss weiter machen,  was bleibt mir anderes übrig.

Aus der Ostsee.Zeitung

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