Die Ein-Frau-Beratungsstelle (aus der SVZ)

Hier einen Interessanten Bericht über unser Mitglied Elke Prehn aus der SVZ
vom 22. November 2017
Aus der Onlineredaktion
Für Elke Prehn ist die Gebärdensprache die Brücke zu vielen ihrer hörgeschädigten Klienten.

Elke Prehn unterstützt seit mehr als 25 Jahren Familien mit hörgeschädigten Kindern – mit viel Idealismus und noch mehr Herz.

Elke Prehn ist Fachberaterin, Sozialarbeiterin, Chauffeurin und Buchhalterin in einer Person. Für den Elternverband hörgeschädigter Kinder in Mecklenburg-Vorpommern unterhält sie in Schwerin eine ambulante Beratungsstelle mit regelmäßigen Sprechtagen in Rostock und Güstrow. Sie unterstützt die Arbeit von mittlerweile fünf Selbsthilfegruppen in Stralsund, Rostock, Gadebusch, Schwerin und Ludwigslust. Zusätzlich bietet sie landesweit eine mobile Beratung an – und das alles ganz allein.

Auch wenn 50- oder 60-Stunden-Wochen für die 57-Jährige die Regel sind, auch wenn sie in mancher Woche gut und gern 1000 Kilometer mit dem Auto unterwegs ist: Elke Prehn liebt das, was sie tut – und sie brennt dafür. Dabei war sie ursprünglich „nur“ Mutter einer gehörlosen Tochter, die mit dem Usher-Syndrom auf die Welt gekommen war. Auch für diese Kinder gab es in der DDR-Förderung. „Aber die Gebärdensprache beispielsweise durfte man damals offiziell nicht erlernen.“ Unter dem Dach der Kirche hätten ihr Mann und sie einen solchen Kurs bei sich zu Hause organisiert – und so viele andere Eltern hörgeschädigter Kinder um sich geschart.

„Als die Wende kam, saßen wir auf gepackten Koffern“, gesteht Elke Prehn. „Wir wollten für unsere Tochter einfach etwas Besseres, mehr Förderung.“ Doch als die Mauer fiel, blieb die Familie und gehörte im Mai 1990 zu den Gründungsmitgliedern des Elternverbandes hörgeschädigter Kinder, der schon damals mehr als 100 Mitglieder zählte. „Von Anfang an haben wir eine Menge ,durchgeochst‘ für unsere Kinder“, erinnert sich Elke Prehn. Das sei natürlich anstrengend gewesen, aber auch ungeheuer befriedigend. „Schwierig wurde es erst, als die Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen ,zusammengelegt‘ werden sollten und wir um den Standort für das neue Landesförderzentrum ,Hören‘ in Güstrow stritten“, erinnert sie sich. Der Schulelternrat, dessen Vorsitzende Elke Prehn war, kämpfte dafür, die Einrichtung zentrumsnah im alten Krankenhaus unterzubringen. Doch die Schulleitung beharrte darauf, in der Plauer Chaussee und damit am Rande der Stadt zu bleiben – und setzte ihre Position durch. „Dabei ist Voraussetzung für echte Inklusion doch, dass die Betroffenen auch mittendrin in der Gesellschaft leben“, meint Elke Prehn. So sehr sich Eltern gerade auch für ihre hörbehinderten Kinder wünschten, dass sie behütet aufwachsen, so wichtig sei es doch, dass sie auch beizeiten lernten, allein zurechtzukommen – sich also allein im Straßenverkehr zu bewegen, einzukaufen, Kontakte zu knüpfen, auch zu Hörenden.

Moderne Behandlungsmethoden, insbesondere das Cochlea Implantat (CI), ermöglichen heute Schwerhörigen und sogar vielen Gehörlosen, wieder aktiver am Leben teilzunehmen. „Aber auch Implantat-Träger müssen hören lernen. Und zwar in jedem neuen Lebensabschnitt wieder – denn beispielsweise mit Beginn einer Berufsausbildung vergrößert sich ihr Wortschatz.“ Die neuen Begriffe rein akustisch zu hören sei nicht gleichbedeutend damit zu verstehen, was sie bedeuten, erläutert Elke Prehn. Um das zu vermitteln, biete sich die Gebärdensprache an, also eine bilinguale Förderung.

Doch darum ist es hier im Land schlecht bestellt, schätzt Elke Prehn ein. „Wer den Gebärdenweg gehen will oder muss, geht weg oder kommt gar nicht erst her“, sagt sie nicht ohne Bitterkeit. Zwar hätte der Verband vor einigen Jahren über eine Petition an den Landtag erreicht, dass am Landesförderzentrum drei Gebärdenklassen eingerichtet wurden – „aber die sind inzwischen wieder weg“. Erst vor Kurzem habe sie deshalb eine gehörlose Familie dabei unterstützt, nach Nordrhein-Westfalen zu ziehen: Sie hätte hier einfach keine Perspektive mehr gesehen, erzählt Elke Prehn.

Schon seit gut 25 Jahren, seit Februar 1992, berät die studierte Ingenieur- und Sozialpädagogin für den Landesverband Eltern hörgeschädigter Kinder. Die meisten wenden sich unmittelbar nach der Diagnose an sie – und die wird heute in sehr vielen Fällen bereits im Ergebnis des Neugeborenen-Hörscreenings gestellt. „Auf die Eltern stürzen dann eine Vielzahl von Fragen ein: Wird mein Kind überhaupt sprechen lernen? Wie und wo können wir es früh fördern lassen? Welche Hilfsmittel kommen in Frage? Und inwieweit gibt es für uns Assistenzleistungen?“, zählt Elke Prehn nur einige auf. Später kämen dann weitere Fragen dazu, vor allem die, wo das Kind zur Schule gehen soll.

270 Eltern berät sie im Durchschnitt pro Jahr – und das längst nicht nur zu Fragen, die unmittelbar mit der Hörbehinderung ihrer Kinder zu tun haben. Elke Prehn ist auch Berufsberaterin, klärt über Krankenversicherungs- und Schwerbehindertenrecht auf, hilft bei Antragstellungen und Widersprüchen. „Und wenn die Eltern Schulden haben, versuche ich, auch da etwas für sie zu tun, und wenn sie sich scheiden lassen wollen auch.“

Wenn es sein muss, fährt sie für diese Beratungsgespräche auch bis Penkun kurz vor der polnischen Grenze. „Gerade im Osten des Landes haben wir besonders viele betroffene Familien.“ Dass sie für diese Fahrten ihren Privat-Pkw nutzt, ist für Elke Prehn inzwischen selbstverständlich – doch es gab auch andere Zeiten: „Ziemlich zum Anfang waren wir in der Kontakt- und Beratungsstelle zu zweit – und ich hatte auch ein Dienstauto.“ Doch dieser, verglichen mit heute geradezu paradiesische Zustand hielt nur wenige Jahre an. „Seit 1999 konnten wir die zweite Kraft nicht mehr finanzieren. Und die mobile Beratung mache ich schon seit langem mit meinem Auto – für 25 Cent Kilometergeld.“ Genau genommen nicht einmal dafür: „Letztes Jahr habe ich unserem Verein 984 Euro gespendet – das war die Differenz zwischen dem Betrag, den unser Budget für Fahrkosten hergab, und dem, was ich tatsächlich verfahren hatte“, erzählt sie. Auch der ehrenamtlich tätige Landesgeschäftsführer des Vereins verzichte auf die ihm eigentlich zustehende Aufwandserstattung und spende dieses Geld stattdessen – alles, um den Verein und mehr noch sein Beratungsangebot am Leben zu halten.

Das aber wird immer schwieriger, erklärt Elke Prehn. Denn das Land hat seine Zuschüsse für gemeinnützige Träger von Beratungsstellen schon seit 2013 nicht mehr erhöht, ungeachtet dessen, dass die Sachkosten – Mieten, Energie usw. – inzwischen deutlich gestiegen sind. Auch die Personalkosten hätten, wenn sie mit der allgemeinen Lohnentwicklung schritthalten sollten, längst steigen müssen – „aber eine Lohnerhöhung habe ich schon ewig nicht bekommen“, gesteht Elke Prehn.

Trotzdem versucht sie alles, um das Beratungsangebot aufrecht zu erhalten. Elf verschiedene Zuwendungsträger, wie es im Amtsdeutsch heißt, hat sie gewonnen. Für Elke Prehn heißt das nicht nur, elf verschiedene Antragsformulare auszufüllen und elf unterschiedliche Stichtage für die Antragstellung zu beachten. Fast alle erwarten auch noch Nachweise ihrer Qualifikation als Beraterin und natürlich detaillierte Verwendungsnachweise für ihr Geld. Gut ein Fünftel ihrer Arbeitszeit, so schätzt Elke Prehn ein, geht inzwischen für dieses „Verwaltungspuzzle“ drauf.

Dennoch kann sie ihrer Arbeit auch viel Positives abgewinnen: „Ich bin Selbstbestimmt – und habe Freiräume“, betont sie. Von den Familien, die sie berät, bekäme sie menschlich sehr, sehr viel zurück. Und nicht zuletzt hätte auch ihre eigene Tochter dem Verband eine Menge zu verdanken. Sie sei inzwischen 33 und arbeite in München als Heilerziehungspflegerin im Internat einer Realschule für Gehörlose. „Gerade hat sie über drei Jahre die Gebärdensprachdozentenausbildung gemacht“, erzählt ihre Mutter stolz. Mindestens einmal in der Woche melde sie sich per Videotelefonie bei den Eltern – ganz so, wie es hörende Kinder auch tun.

Kontakt- und Beratungsstelle des Elternverbandes hörgeschädigter Kinder, Landesverband MV
Perleberger Straße 22 19063 Schwerin
Tel.: 0385 207 19 50
Fax: 0385 207 21 36
Mail: ev.hoer-kids@t-online.de
www.hoerkids.deSprechzeiten:
Montag: 10 – 15 Uhr
Mittwoch: 10 – 15 Uhr
Freitag: 10 – 13 Uhr
Sprechtag in der Abteilung Pädaudiologie der Uni-HNO-Klinik Rostock:
Doberaner Str. 137/139,

Haus III (Hofgelände)
Donnerstag ab 8.30 Uhr
Tel./Fax 0381 49483-93 / -92

– Quelle: https://www.svz.de/18385711 ©2017

 

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