Offener Brief zum Begriff Barrierefrei
Die CDU-Fraktion des Landtages Mecklenburg-Vorpommern hat eine Presseerklärung zum Thema Barrierefrei/Barrierearm heraus gegeben. Unser Vorsitzender Wolfgang Griese hat hierzu einen Brief geschrieben, den wir hier als offenen Brief veröffentlichen.
Fraktion CDU des LT M-V
MdL Frau Christiane Berg
Sehr geehrte Frau Berg,
von unserem Beiratsmitglied, Frau Sabine Wischer, erhielt ich Ihre o. g. Pressemitteilung.
Wie sehr ich es begrüße, dass Sie völlig zu Recht eine weitere Vervollkommnung und Straffung des § 50 der LBauO-MV einfordern, um damit den durch die demographische Entwicklung gewachsenen Anforderungen für die zunehmende Zahl älterer und behinderter Menschen zu entsprechen, ist es jedoch grundverkehrt, wenn Sie den Begriff „Barrierefreiheit“ durch „Barrierearmut“ ersetzen bzw. gar in die Landesbauordnung M-V integrieren wollen.
Das wäre ein gewaltiger Rückschritt in die Zeit vor der Ratifikation der UN-BRK durch die BRD im März 2009. Die UN-BRK fordert unmissverständlich eine Barrierefreiheit aller für Menschen zugänglichen öffentlichen Räume und würde eine 20-jährige Überzeugungs- und Agitationsarbeit der Beiräte für Menschen mit Behinderung, der Behindertenbeauftragten und Sozialverbände zunichte machen.
Auf dieser Grundlage sind auch alle weiteren, diesen Bereich tangierenden rechtlichen Grundlagen und DIN-Vorschriften mit dem Begriff „Barrierefreiheit“aufgebaut.
Bauwirtschaftliche Aspekte zur Begründung der Aufweichung der Barrierefreiheit gehen ebenfalls fehl, da längst bewiesen, dass zur Herstellung der Barrierefreiheit äußerst geringe bzw. gar keine Mehrkosten enstehen. Lt. einer Studie des Städte- u. Gemeindetages liegen diese bei 0 ….max. 0,8 % der Gesamtbaukosten (z. B. eine Tür mit einer li. Breite v. 0,9 m unterscheidet sich nicht in den Herstellungskosten von einer gleichen Tür mit 80 cm Durchgangsbreite, da die Türschwelle und 10 cm Wandbreite eingespart werden. Eine bodengleiche Duschkabine erspart das Aufmauern u. Fliesen der Duschwanne und evtl. gar eine Badewanne etc.).
Warum diese konsequente Wertschätzung und Beibehaltung des Begriffes „Barrierefreiheit“? Es ist kein Hobby von mir. Mit der Barrierefreiheit muss gewährleistet werden, dass eine Wohnung für alle Arten von körperlicher Einschränkung nutzbar ist. Ein barrierearme Wohnung kann für einen erblindeten Bewohner völlig „OK“ sein, für einen nachfolgenden mobilitätseingeschränkten Bewohner od. Mieter in keiner Weise.
Natürlich kann ein privater Wohnungsbesitzer seinen eigenen Wohnraum so umbauen, wie er meint, darin mit seiner evtl. körperlichen Einschränkung besser leben u. wohnen zu können und diese Wohnung dann für sich als „barrierearm“ bezeichnen. In diesem Fall gilt rechtlich der Bestansschutz. Für einen möglichen Nachmieter wäre sie es aber nicht und es entstünden wiederum zusätzliche Baukosten.
Anders verhält es sich aber bereits, wenn in einen Wohnungsbestand zum Zwecke einer Sanierung oder Modernisierung konstruktiv in die Bausubstanz eingegriffen werden muß. In diesem Fall ist der Bestandsschutz auch in älterer Bausubstanz verwirkt und es muss die volle Barrierefreiheit hergestellt werden.
Das genau ist der Fall der in Gägelow von der Fa. Zurow-Bau eingebauten Innenaufzüge, wo Sie, liebe Frau Berg, des Lobes voll waren. Sie sind nicht barrierefrei, entsprechen nicht den DIN-Vorschriften und hätten es sein müssen. Ein zu kritisierender Mangel, aus dem für die Zukunft die richtigen Schlußfolgerungen gezogen werden müssen.
Auch die Förderrichtlinien des Landesförderinstitutes M-V sprechen eine korrekte Sprache und die Beiräte für Menschen mit Behinderung sind dazu angehalten, die volle Barrierefreiheit mit ihren Stellungnahmen zu bestätigen, da sonst die Fördermittel für Bau- u. Verkehrsinvestitionen nicht ausgreicht werden.
Deswegen, liebe Frau Berg, schaffen Sie bitte keine Verwirrungen bei der Umsetzung der Maßnahmen der Inklusion aller Menschen unseres Landes (dabei ist die Barrierefreiheit eine entscheidende Größenordnung) und unterstützen Sie uns als Mitglied des Landtages M-V bei unserer ehrenamtlichen Arbeit im Interesse der immer älter werdenden Menschen u. Menschen mit Behinderung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Griese
Vorsitzender des Beirates